ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist

Ein großes wildes Wagnis sind diese Gedichte, die eine verwegen aufspielende Stimme vorantreibt. Pathos und Melancholie? Liebesgedichte? Das assoziert man weder mit dieser Dichtergeneration noch mit dem Leipziger Lyriker Carl-Christian Elze, der mit "ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist" seinen dritten Gedichtband vorlegt und den Leser in jedem Gedicht auf mehrere Fährten lockt. Und wie der Titel nahelegt, ist das Pathos mit Vorsicht zu genießen. Denn in diesen außergewöhnlichen Versen finden sich rasch auch "fickende Fliegen" in den Köpfen. Und die vermehren sich naturgemäß rasch.

  • Lyrik Luxbooks 2013
  • 120 Seiten Broschur ISBN ‎ 978-3939557692
  • Leseprobe (PDF, 159.71 KB)
  • Neuauflage im Verlagshaus Berlin 2022

Schwäne mit Köchinnenhälsen, Lippen, die so weich sind wie Fischinnereien, Gras, das als Fell im Wind schwimmt, und Sommersprossen, die selbst Tote aufwecken und an der Klingelschnur im Sarg reißen lassen würden: Carl-Christian Elzes neue Gedichte bedienen sich eines Tons, der in der zeitgenössischen Lyrik vielleicht gefehlt hat – einfach, ohne banal zu sein, direkt und dennoch originell, bild- und vergleichsstark, mal komisch, mal derb, oft überraschend und immer berührend. Dabei geht jedes der lose gefügten Gedichte von einem ungeschützt sich ausstellenden, sich immer wieder hinterfragenden Ich aus, von dessen scheinbar ganz alltäglichen Beobachtungen an sich selbst und anderen („ich lauf mit meinen beinen rum & hab recht viel zu tun“), von jenen allen bekannten und doch verlässlich rätselhaften Gefühlsregungen. Ein Band, der leicht wirkt, so luftig ist wie der titelgebende Wasserturm, der aber nachwirkt; Gedichte, die so zärtlich wie übermütig daherkommen: Aber „wollen wir vernünftig sein, müssen wir zum schlachthof gehen.“ — Jan Wagner (ausgewählt für die Gedichtbücher des Jahres 2013 von der Akademie für Sprache und Dichtung und der Stiftung Lyrik Kabinett)

Sondergleich, intelligent, einfallsreich, extravagant & komisch ist der letzte Gedichtband  von Carl-Christian Elze, „ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist“. Der 1974 in Berlin geborene Autor hat einen unverwechselbaren Stil gefunden, der ihn wohltuend von all den rätselverliebten Jung-Poeten unterscheidet, die allenfalls noch von der eigenen Freundin verstanden werden - wenn überhaupt. Um so mehr freut sich der Rezensent über jemanden, der in seiner Lyrik wunderbare Bilder findet, sprachlich eindeutig bleibt und somit dem Ganzen erstaunlichen Sinn & Form gibt. „ich paddel in den lüften rum“, „in den weiten der prärie“ oder „ich bin heut aufgewacht & war lebendig“ - 77 Gedichte, die man lesen sollte. Sehr gut.“ — Matthias Ehlers (WDR 5)

Carl-Christian Elze, der die Tiere und die Verse kennt, uns mit zärtlicher Ironie berührt, kundig nach unseren Körpern fragt – und uns mit geschickt leichter Hand in Gedichträume führt, die sie uns fühlen lassen, die berückende Nähe von Komik und Ernst, von Groteske, Verzweiflung und Lebensmut. — Ulrike Draesner

Elzes stets in Existenzielles verweisende Spiel ist eines mit hohem Einsatz, denn die Kaschierungsmöglichkeiten sprachlicher Ungelenkheiten sind in solch performativ ausgelegter Dichtung ungleich geringer als in Inversionen aller Art, etwa dunklen Metaphernscharaden. — Peter Geist

Die Verse erscheinen geradezu rhythmisiert durch die Frequenzen des Körpers, den Schritt, den Puls, den Augenaufschlag, Aufwachen und Einschlafen. Und sie erscheinen als Äußerungen der Wahrnehmung in Momenten größter Wachheit, durch explizites Sehen, Hören, Fühlen. — Holger Pils

Elze ist ein Artist der Absurditäten, in deren Spiegelungen er sich und wir uns von vielen Seiten betrachten können und manchmal auch, ohne uns zu Gesicht zu bekommen. — Andreas Altmann

Bei Carl-Christian Elze ist es nicht die vorschnelle Bestätigung, die auf die Selbstbeobachtung folgt, sondern eine leidenschaftliche Verunsicherung. Zugleich geht mit ihr der Wille einher, aus der Selbstbeobachtung wirkliche Selbsterkenntnis zu machen. Deshalb sind die Verse, die der ersten Beobachtung folgen, ein Nachsetzen. Das lyrische Ich läßt seine ohnehin flüchtige Selbstbeobachtung wieder frei und verfolgt sie dann in der Richtung, die sie von sich aus in seinem Inneren nehmen will; dadurch versucht das lyrische Ich, das zufällig Erhaschte des ersten Verses dingfest zu machen. Typisch für dieses Nachsetzen ist der relative Satzanschluß, der schon im Titel des Gedichtbandes vorkommt. Es ist eine Jagd von der Selbstbeobachtung zur Selbsterkenntnis, in der das lyrische Ich zugleich Jäger und Gejagter ist. Die Jagd führt den Leser, der zu ihrem Zuschauer gemacht wird, durch die konkrete Umgebung oder über die Felder sprachlicher oder symbolischer Assoziationen, wobei sich zwischen den Versen, die meist mit den Sätzen übereinstimmen, erstaunlich viel lyrisches Funkeln finden läßt. — Hans-Karl Fischer

Als ich Carl-Christian Elzes neuen Gedichtband, bei luxbooks erschienen, zum ersten Mal las, war ich schon vom furiosen Einstieg sehr angetan. Das Buch formuliert implizit eine gewisse Angstfreiheit vor Pathos, traut sich, Ich zu sagen, hat keine Scheu davor, sich persönlich zu offenbaren, macht sich dabei aber eben nicht unfreiwillig zum Kasper wie so manches Buch, dem man einen deutlichen selbsttherapeutischen Impetus anmerkt. Nicht so bei Elzes Wasserturm. Dafür ist das Buch zu leicht, zu nonchalant. — Armin Steigenberger

Ich weiß noch, wie einer meiner Germanistikdozenten vor ein paar Jahren den Zustand der deutschsprachigen Gegenwartslyrik beklagte. „Die jungen Dichter“, meinte er, „schreiben doch nur noch Germanistenlyrik. Sehr gelehrt, reich an Anspielungen, Zitaten und Assoziationen, ohne Herz und Seele.“ Welche Autoren der Dozent damit meinte, sagte er nicht. Allerdings ließ er keinen Zweifel daran, dass er durchaus weiß, was die so genannten Independent Verlage veröffentlichen. Seither musste ich bei so manchem Gedichtband an diese Worte denken. Nie aber kamen sie mir so schnell in den Sinn wie bei der Lektüre des neuen Gedichtbandes von Carl-Christian Elze. Und das nicht etwa, weil Elzes neuen Texten Herz und Seele fehlen. Ganz im Gegenteil. Sie vereinen vielmehr einen stilsicheren Umgang mit sprachlichen Variationen und einen gefühlvollen Ausdruck, der in der deutschsprachigen Lyrik sehr selten geworden ist. Schon allein deshalb ist „ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist“ ein mutiges Buch. — Mario Osterland